Dreifürstensteinschule

In Rosenbenz 10

72116 Mössingen

07473 377 302 07473 377 333 dreifuerstensteinschule@kbf.de

Schulleiter: Joachim Leibfritz

07473 377 300 Leibfritz@kbf.de
Baustein   Möglichkeiten mit dem Werkstoff Ton für schwermehrfachbehinderte SchülerInnen Möglichkeiten mit dem Werkstoff Ton Bildungsbereich Musik, Bildende und Darstellende Kunst  1.	Vorwort Herkömmliches Werken mit Ton kennen wir als Umgang mit dem Material durch Kneten, Rollen und Formen mit dem Ziel, ein schönes Werkstück herzustellen (Schälchen, Figuren usw.) Eine solche Vorgehensweise erfordert planendes Handeln und große Fingerfertigkeit.  Viele schwermehrfachbehinderte SchülerInnen an der Dreifürstensteinschule haben diese Möglichkeit nicht. Sie können ihre Hand oder beide Hände nur begrenzt zielge-richtet einsetzen. Daraus kann verständlicherweise Frustration und Entmutigung entstehen bis hin zur Ablehnung, sich auf Neues einzulassen. Wir wollen schwermehrfachbehinderten SchülerInnen vermitteln, dass auch sie selbst gestaltend und verändernd wirken können. Der weiche, formbare Werkstoff Ton ist dafür besonders gut geeignet.  Deshalb begannen wir neue Möglichkeiten zu suchen:  •	Der Umgang mit Ton soll von unseren SchülerInnen  erlebt werden können als elementare Material- und Körpererfahrung, die ausdrücklich nicht die Herstellung eines Werkstücks verlangt. •	Wir wollen versuchen Bedingungen für schwermehrfachbehinderte SchülerInnen zu schaffen, die größtmögliche Selbstständigkeit im Umgang mit Ton erlauben. •	Die Vorstellung vom schönen Endprodukt muss dazu aus den Köpfen betreuender MitarbeiterInnen verbannt werden.   2. Umsetzung   Im Laufe der Jahre wurden die regelmäßig stattfindenden Tongruppentermine für schwermehrfachbehinderte  SchülerInnen fester Bestandteil des Schulalltags. Inzwi-schen gibt es sieben Gruppen mit fünf bis sieben SchülerInnen mit ihren Begleitpersonen aus verschiedenen Klassen. „Zum Tonen gehen“ bedeutet für viele die Bewältigung einer weiten Strecke zum Tonraum, sich Einlassen auf eine neue Umgebung mit Anderen. Einige SchülerInnen benötigen mehrere Wochen Eingewöhnungszeit bis sie den regelmäßigen Termin im Tonraum annehmen, sich dort wohlfühlen und erst dann lang-sam mit dem Material in Berührung kommen können.  Folgende Angebote erwarten die SchülerInnen je nach Bedürfnislage und Neigung:  Ton fühlen  Ton erleben durch Schmieren, Matschen und Klopfen mit Händen und Füßen / Schlickerplatte  Ton erleben und begreifen in verschiedenen Tonkisten  Ton erleben und bearbeiten an der elektrischen Töpfer-scheibe  Wir versuchen gute äußere Voraussetzungen zu schaffen:  Wiedererkennbare Abläufe sollen vertraute Rahmenbedingungen schaffen (Begrüßung und Schürze anziehen, zu Beginn - Hände waschen, eincremen und Verabschiedung am Schluss der Tonstunde)   An höhenverstellbaren Tischen wird für eine geeignete Sitzposition gesorgt und (in Absprache mit FachlehrerInnen für Körperbehinderte) der Einsatz von möglichen Hilfsmitteln geklärt. Ankündigung im Klassenzimmer durch Boardmakersymbole / Stundenplankarte.   a) Ton fühlen Für viele SchülerInnen ist es eine angenehme und entspannende Erfahrung sich die Hände mit sehr weichem Ton und viel warmem Wasser einschmieren und massieren zu lassen oder selbst auf dem Tisch zu schmieren. Über schmatzende Geräusche, das Empfinden von kalt und warm, trocken und nass zusammen mit einem ein-fühlsam betreuenden Gegenüber wird vor allem nicht sprechenden und/oder stark sehbeeinträchtigten Schüle-rInnen eine besondere Kommunikationsmöglichkeit eröffnet.  b) Schlickerplatte Die Schlickerplatten sind dunkel beschichtet und auf verschiedene Formate für den Einzel- oder Doppel-tisch zugeschnitten. Auf der Platte wird ein dünner Tonbrei verteilt. Die SchülerInnen können am Einzeltisch aktiv mit großflächigen Bewegungen Finger- und Handspuren sichtbar machen und wieder wegwischen. Die große Schlickerplatte eignet sich gut für Partner- oder Gruppenarbeit. Beim gemeinsamen Schlicker-spiel kann sich Kommunikation und Begegnung ent-wickeln.  c) Tonkiste SchülerInnen, die ihre Hände auch selbstständig einsetzen, bearbeiten gerne Ton in der flächigen Tonkiste. Die Kiste ist gefüllt mit leicht schamottiertem Ton, der je nach Bedarf mit Wasser glitschig gemacht werden kann. Hier geht es um Materialerfahrung, den Abbau von Berührungsängsten und den Einsatz beider Hände. Spielerisch fühlen und betasten die meisten SchülerInnen die zunächst noch glatte, weiche Tonoberfläche und erkunden den abgesteckten Rahmen, der durch die Kiste vorgegeben ist.  Je nach Temperament, Krafteinsatz und Bewegungsfähigkeit folgen Klopfen, Spuren drücken, Löcher bohren, Herausreißen und Zuschmieren, Auftürmen oder Aus- und Einräumen.  Viele beginnen zu lachen, singen oder summen und beziehen die Betreuenden in ihr Tun ein: geben und nehmen, gegenseitig Hände verpacken, verstecken und suchen.    d) Drehscheibe Einige SchülerInnen sind zunächst beeindruckt von der  Möglichkeit, am Pedal die Drehgeschwindigkeit selbstständig zu regeln und das sich verändernde Motorengeräusch wahrzunehmen. Andere legen sofort eine oder beide Hände auf den weichen, unschamottierten Ton und fühlen die Drehbewegung. Viele spüren nach anfänglicher Handführung sehr schnell, dass die kleinste Bewegung der Finger oder der Hand auf dem weichen Ton eine Veränderung bewirkt. Es entstehen Rillen, Täler und Berge ohne Kraftanstrengung. Besonders SchülerInnen mit Spastiken oder Muskelschwächen schätzen es bald sehr, dass die große Bewegung von der elektrischen Scheibe übernommen wird und selbst beim Einsatz von nur einem Finger tiefe Spuren im Ton entstehen können. Einige wollen gezielt Formen herstellen und sind über Jahre regelmäßig konzentriert und freudig beim Drehen kleiner Schälchen, die nach dem Trocknen gebrannt und glasiert werden. Die meisten genießen jedoch einfach das Gefühl, den sich drehenden Ton in der Hand zu spüren, fühlen nach, drücken, öffnen oft auch die zweite Hand und entspannen sich sichtlich. Sie sind „fertig“ und zufrieden, wenn der gesamte Tonatzen von der Scheibe „weggedreht“ ist.  3. Gedanken zum Schluss Wir haben beobachtet, dass SchülerInnen häufig ihr Tun je nach Sprachfertigkeit mit Brummen, Singen, Lachen, Kommentaren und Ausrufen begleiten. SchülerInnen mit größerer Sprachkompetenz erzählen nebenher oder beim gemeinsamen Händewaschen und Eincremen am Ende der Tonstunde gerne von Erlebnissen und Gedanken, die sie bewegen. Die Freude und Ausdauer, mit der schwermehrfachbehinderte SchülerInnen im Tonraum arbeiten, gibt uns immer wieder die Gewissheit, hier ein Angebot zu haben, das ihren Bedürfnissen entspricht. Eine ganz entscheidende  Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der begleitenden MitarbeiterInnen, die in der Regel nicht verbal signalisierten Bedürfnisse von SchülerInnen zu erkennen, zuzulassen und zu unterstützen, ohne mit eigenen Zielvorstellungen in den Prozess einzugreifen.  Wir MitarbeiterInnen müssen uns im Klaren darüber sein, dass es den meisten SchülerInnen überhaupt nicht darum geht, schöne Werke entstehen zu lassen: „Sinnvoll“ bedeutet vor allem eine einfühlsame Begleitung, um die Begegnung mit dem Material Ton mit allen Sinnen erleben und genießen zu können.
Tel: 07473 377 302 | mail: dreifuerstensteinschule@kbf.de
Tel: 07473 377 302 mail: dreifuerstensteinschule@kbf.de

Baustein

Möglichkeiten mit dem

Werkstoff Ton für

schwermehrfachbehinderte

SchülerInnen

Möglichkeiten mit dem Werkstoff Ton Bildungsbereich Musik, Bildende und Darstellende Kunst

1.

Vorwort

Herkömmliches Werken mit Ton kennen wir als Umgang mit dem Material durch Kneten, Rollen und Formen mit dem Ziel, ein schönes Werkstück herzustellen (Schälchen, Figuren usw.) Eine solche Vorgehensweise erfordert planendes Handeln und große Fingerfertigkeit. Viele schwermehrfachbehinderte SchülerInnen an der Dreifürstensteinschule haben diese Möglichkeit nicht. Sie können ihre Hand oder beide Hände nur begrenzt zielge-richtet einsetzen. Daraus kann verständlicherweise Frustration und Entmutigung entstehen bis hin zur Ablehnung, sich auf Neues einzulassen. Wir wollen schwermehrfachbehinderten SchülerInnen vermitteln, dass auch sie selbst gestaltend und verändernd wirken können. Der weiche, formbare Werkstoff Ton ist dafür besonders gut geeignet. Deshalb begannen wir neue Möglichkeiten zu suchen: Der Umgang mit Ton soll von unseren SchülerInnen erlebt werden können als elementare Material- und Körpererfahrung, die ausdrücklich nicht die Herstellung eines Werkstücks verlangt. Wir wollen versuchen Bedingungen für schwermehrfachbehinderte SchülerInnen zu schaffen, die größtmögliche Selbstständigkeit im Umgang mit Ton erlauben. Die Vorstellung vom schönen Endprodukt muss dazu aus den Köpfen betreuender MitarbeiterInnen verbannt werden.

2. Umsetzung

Im Laufe der Jahre wurden die regelmäßig stattfindenden Tongruppentermine für schwermehrfachbehinderte SchülerInnen fester Bestandteil des Schulalltags. Inzwi-schen gibt es sieben Gruppen mit fünf bis sieben SchülerInnen mit ihren Begleitpersonen aus verschiedenen Klassen. „Zum Tonen gehen“ bedeutet für viele die Bewältigung einer weiten Strecke zum Tonraum, sich Einlassen auf eine neue Umgebung mit Anderen. Einige SchülerInnen benötigen mehrere Wochen Eingewöhnungszeit bis sie den regelmäßigen Termin im Tonraum annehmen, sich dort wohlfühlen und erst dann lang-sam mit dem Material in Berührung kommen können. Folgende Angebote erwarten die SchülerInnen je nach Bedürfnislage und Neigung: Ton fühlen Ton erleben durch Schmieren, Matschen und Klopfen mit Händen und Füßen / Schlickerplatte Ton erleben und begreifen in verschiedenen Tonkisten Ton erleben und bearbeiten an der elektrischen Töpfer-scheibe Wir versuchen gute äußere Voraussetzungen zu schaffen: Wiedererkennbare Abläufe sollen vertraute Rahmenbedingungen schaffen (Begrüßung und Schürze anziehen, zu Beginn - Hände waschen, eincremen und Verabschiedung am Schluss der Tonstunde) An höhenverstellbaren Tischen wird für eine geeignete Sitzposition gesorgt und (in Absprache mit FachlehrerInnen für Körperbehinderte) der Einsatz von möglichen Hilfsmitteln geklärt. Ankündigung im Klassenzimmer durch Boardmakersymbole / Stundenplankarte. a) Ton fühlen Für viele SchülerInnen ist es eine angenehme und entspannende Erfahrung sich die Hände mit sehr weichem Ton und viel warmem Wasser einschmieren und massieren zu lassen oder selbst auf dem Tisch zu schmieren. Über schmatzende Geräusche, das Empfinden von kalt und warm, trocken und nass zusammen mit einem ein-fühlsam betreuenden Gegenüber wird vor allem nicht sprechenden und/oder stark sehbeeinträchtigten Schüle-rInnen eine besondere Kommunikationsmöglichkeit eröffnet. b) Schlickerplatte Die Schlickerplatten sind dunkel beschichtet und auf verschiedene Formate für den Einzel- oder Doppel-tisch zugeschnitten. Auf der Platte wird ein dünner Tonbrei verteilt. Die SchülerInnen können am Einzeltisch aktiv mit großflächigen Bewegungen Finger- und Handspuren sichtbar machen und wieder wegwischen. Die große Schlickerplatte eignet sich gut für Partner- oder Gruppenarbeit. Beim gemeinsamen Schlicker-spiel kann sich Kommunikation und Begegnung ent-wickeln. c) Tonkiste SchülerInnen, die ihre Hände auch selbstständig einsetzen, bearbeiten gerne Ton in der flächigen Tonkiste. Die Kiste ist gefüllt mit leicht schamottiertem Ton, der je nach Bedarf mit Wasser glitschig gemacht werden kann. Hier geht es um Materialerfahrung, den Abbau von Berührungsängsten und den Einsatz beider Hände. Spielerisch fühlen und betasten die meisten SchülerInnen die zunächst noch glatte, weiche Tonoberfläche und erkunden den abgesteckten Rahmen, der durch die Kiste vorgegeben ist. Je nach Temperament, Krafteinsatz und Bewegungsfähigkeit folgen Klopfen, Spuren drücken, Löcher bohren, Herausreißen und Zuschmieren, Auftürmen oder Aus- und Einräumen. Viele beginnen zu lachen, singen oder summen und beziehen die Betreuenden in ihr Tun ein: geben und nehmen, gegenseitig Hände verpacken, verstecken und suchen. d) Drehscheibe Einige SchülerInnen sind zunächst beeindruckt von der Möglichkeit, am Pedal die Drehgeschwindigkeit selbstständig zu regeln und das sich verändernde Motorengeräusch wahrzunehmen. Andere legen sofort eine oder beide Hände auf den weichen, unschamottierten Ton und fühlen die Drehbewegung. Viele spüren nach anfänglicher Handführung sehr schnell, dass die kleinste Bewegung der Finger oder der Hand auf dem weichen Ton eine Veränderung bewirkt. Es entstehen Rillen, Täler und Berge ohne Kraftanstrengung. Besonders SchülerInnen mit Spastiken oder Muskelschwächen schätzen es bald sehr, dass die große Bewegung von der elektrischen Scheibe übernommen wird und selbst beim Einsatz von nur einem Finger tiefe Spuren im Ton entstehen können. Einige wollen gezielt Formen herstellen und sind über Jahre regelmäßig konzentriert und freudig beim Drehen kleiner Schälchen, die nach dem Trocknen gebrannt und glasiert werden. Die meisten genießen jedoch einfach das Gefühl, den sich drehenden Ton in der Hand zu spüren, fühlen nach, drücken, öffnen oft auch die zweite Hand und entspannen sich sichtlich. Sie sind „fertig“ und zufrieden, wenn der gesamte Tonatzen von der Scheibe „weggedreht“ ist.

3. Gedanken zum Schluss

Wir haben beobachtet, dass SchülerInnen häufig ihr Tun je nach Sprachfertigkeit mit Brummen, Singen, Lachen, Kommentaren und Ausrufen begleiten. SchülerInnen mit größerer Sprachkompetenz erzählen nebenher oder beim gemeinsamen Händewaschen und Eincremen am Ende der Tonstunde gerne von Erlebnissen und Gedanken, die sie bewegen. Die Freude und Ausdauer, mit der schwermehrfachbehinderte SchülerInnen im Tonraum arbeiten, gibt uns immer wieder die Gewissheit, hier ein Angebot zu haben, das ihren Bedürfnissen entspricht. Eine ganz entscheidende Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft der begleitenden MitarbeiterInnen, die in der Regel nicht verbal signalisierten Bedürfnisse von SchülerInnen zu erkennen, zuzulassen und zu unterstützen, ohne mit eigenen Zielvorstellungen in den Prozess einzugreifen. Wir MitarbeiterInnen müssen uns im Klaren darüber sein, dass es den meisten SchülerInnen überhaupt nicht darum geht, schöne Werke entstehen zu lassen: „Sinnvoll“ bedeutet vor allem eine einfühlsame Begleitung, um die Begegnung mit dem Material Ton mit allen Sinnen erleben und genießen zu können.